Trachealkanüle
Trachealkanülen erfüllen bei verschiedenen Erkrankungshintergründen unterschiedliche Aufgaben:
Sie dienen der Sicherung der Atemöffnung im Hals, ermöglichen einen einfachen Zugang zum Entfernen von Trachealsekret und verhindern im geblockten Zustand weitgehend das Eindringen von Speichel in die tieferen Atemwege. Sie gewährleisten eine leichtere Handhabung im Falle der Beatmung.
Der Einsatz von Trachealkanülen bei Patienten mit chronischer Bewusstseinsstörung ist meist der Notwendigkeit der maschinellen Beatmung geschuldet.
Arten von Trachealkanülen
Je nach Indikation stehen unterschiedliche Trachealkanülen zur Verfügung, die sich u. a. in Material, der Größe des Innen- und Außendurchmessers, der Längenausführung, der Möglichkeit der Blockung und der Luftstromumlenkung Richtung Kehlkopf (Phonationsoption), der Möglichkeit der subglottischen Absaugung (Absaugung unterhalb des Kehlkopfes) unterscheiden. Die meisten Trachealkanülen bestehen aus einer Außen- und einer Innenkanüle. Dies ermöglicht eine Säuberung der Trachealkanüle von Sekret durch kurzzeitiges Entfernen der Innenkanüle bei Belassen der Außenkanüle. Trachealkanülen, die die ausschließliche Funktion haben, den Atemweg durch Offenhalten zu sichern, haben keinen Block (Cuff). Zu ihrer Herstellung werden Metall oder unterschiedliche Kunststoffe verwendet. Zur Umleitung der Ausatemluft via Kehlkopf gibt es Ausführungen, die eine Öffnung (Siebung oder Fensterung) am äußeren Kanülenbogen aufweisen. In Kombination mit einem Sprechventil, das vorn auf die Kanüle angebracht werden kann, wird die Ausatemluft über den Kehlkopf in das Ansatzrohr geleitet, sodass Stimmgebung wieder möglich ist. Beatmete Patienten sind mit einer geblockten Trachealkanüle versorgt. Hierdurch sind die für die Ventilation erforderlichen Druckverhältnisse gegeben. Im Zustand der Beatmung steht die Versorgung mit einem Sprechventil zur Verfügung, sodass Stimmgebung auch im beatmeten Modus ermöglicht werden kann.
Für Menschen mit neurogener Schluckstörung mit einer Aspiration werden blockbare Kunststoffkanülen verwendet. Ihre Hauptfunktion liegt im Schutz der unteren Atemwege vor Aspiration. Diese Kanülen können in Varianten mit Möglichkeit der subglottischen Absaugung und/oder der Phonationsoption verwendet werden. Bei dieser Kanülenart weist die Außenkanüle eine Siebung oder Fensterung auf. Dies kann beim Training zur Luftstromumlenkung via obere Atemwege zum Einsatz kommen, wenn die Trachealkanüle im entblockten Modus verschlossen wird (Capping). Um diese Situation herbeizuführen, wird die Trachealkanüle entblockt, die Innenkanüle entfernt und die Kanüle an der äußeren Öffnung mit einer Kappe oder einem Schraubverschluss verschlossen. Zum möglichst weitgehenden Schutz der unteren Atemwege vor Aspiration nach dem Training wird die Trachealkanüle geöffnet, die Innenkanüle wiedereingesetzt und die Trachealkanüle geblockt. Bei nicht verschlossener Trachealkanüle ist im Sinne der pulmonalen Rehabilitation die Versorgung mit einem Filter, einer sogenannten künstlichen Nase, von essentieller Bedeutung.
Folgen sowie Komplikationen einer Tracheotomie und einer Kanülierung
Die veränderte Atemführung bewirkt etliche physiologische Veränderungen. Der Atemzug erfolgt nicht über Mund oder Nase, dem Ansatzrohr und dem Kehlkopf (Larynx), sondern unterhalb des Larynx über die Atemöffnung am Hals. Durch diesen Umstand sei der Atemweg verkürzt, was zur Folge habe, dass sich die Atemarbeit (work of breath) der für die Atmung zuständigen Muskulatur verringere (vgl. Epstein 2005, S. 478). Die Schleimhaut der oberen Atemwege wird nicht stimuliert, sodass ein wichtiger Wahrnehmungskanal nicht zur Verfügung steht. Gleichzeitig können die Funktionen der Nase nicht genutzt werden. Wahrnehmungsmodalitäten wie Riechen entfallen weitgehend. Die für die Atmung wichtigen Funktionen Anwärmen, Anfeuchten und Reinigen der Atemluft müssen durch künstliche Filter, die auf die Trachealkanüle aufgebracht werden, ersetzt werden (vgl. Epstein 2005, S. 478). Diese zusätzliche Hilfsmittelversorgung ist wichtig, damit Veränderungen der Trachealschleimhaut begrenzt werden und die Lungenfunktion in ihrem Ausmaß weitestgehend erhalten bleibt. Stimmgebung (Phonation) ist bei einer geblockten Trachealkanüle nicht möglich. So steht die eigene Stimme als möglicher Stimulus nicht zur Verfügung. Sekretansammlung entsteht durch das Unvermögen abzuhusten, sodass Absaugen nötig wird. Durch den Druck auf das Gewebe am Tracheostoma oder in der Luftröhre kann es zu Bildung von Granulationen kommen.
In ihrer Review teilen Engels et al. (2009, S. 427ff) mögliche Komplikationen durch Tracheotomie und Kanülierung anhand des zeitlichen Verlaufs des Vorgehens der Tracheotomie und der Kanülierung ein. Sie unterscheiden intraprozedurale Komplikationen (während der Tracheotomie oder kurz nach Einsetzen der Trachealkanüle), frühe postprozedurale Komplikationen (innerhalb der ersten 7 Tage nach Anlage) und späte postprozedurale Komplikationen ( > 7 Tage nach Anlage). Tabelle 1 führt die in der Review genannten Komplikationen auf:
Tab. 1 Komplikationen durch Tracheotomie und Kanülierung nach Engels (2009)
Komplikation
Intraprozedural
früh postprozedural
spät postprozedural
Mehrfache Versuche
Kleine Blutung
Trachealstenose
Paratrachealer
Trachealkanüleneinsatz
Große Blutung
Tracheomalazie
Verletzung der hinteren Trachealwand
Pneumothorax
Tracheoösophageale Fistel
Subcutanes Emphysem
Tracheoarterielle Fistel
Inflammation des Atemweges
Verspäteter Stomaverschluss
Versehentliche Dekanülierung
Unästhetische Narbe
Infektion des Stomas
Stimmlippenparese
Verlust des Atemweges
Atemwegssymptome (Heiserkeit, Stridor, Husten, Dyspnoe)
Aspiration
Neben diesen Folgen und Komplikationen ist eine weitere nicht physiologische, jedoch soziale Folge von Bedeutung. Die Trachealkanüle kann Stigmatisierung für den betroffenen Patienten, für die ihm nahestehenden Menschen oder auch zwischen den genannten Personen bedeuten. Das veränderte Erscheinungsbild mit allen Begleiterscheinungen wie Husten, vermehrte Sekretion kann einen nicht gewollten Abstand insbesondere zwischen dem tracheotomierten Menschen und seinen Bezugspersonen herstellen, bzw. Nähe erschweren sowie im weiteren Sinne zwischen dem tracheotomierten Menschen und der Gesellschaft. Dieser Effekt verstärkt sich wohlmöglich durch den Verlust stimmlicher Äußerungen bei geblockter Trachealkanüle. Auf diese Weise steht ein wichtiger Kommunikationskanal nicht zur Verfügung. (Glunz 2017)
Literatur:
Engels PT, Bagshaw, SM, Meier M, Brindley, PG (2009) Tracheostomy: from insertion to decannulation. Can J Surg. Vol. 52, No. 5, October 2009: 427 - 433
Epstein SK (2005) Anatomy and Physiology of Tracheostomy. Respiratory Care. Vol. 50, No 3: 476 - 482